Zwischen uns ein ganzes Leben

Copyright: Fischer Verlag

Autor: Melanie Levensohn
Titel: Zwischen uns ein ganzes Leben
Seitenanzahl: 416 Seiten
Verlag: Fischer Verlag
ISBN: 3596702712
Preis:
E-Book:
14,99€
Print: 16,99€
Link zur Autoren FB Seite: Melanie Levensohn
Link zu Amazon: Das Versprechen zu halten

Klappentext:
Drei Frauen – getrennt durch ein halbes Jahrhundert, verbunden durch ein VersprechenParis, 1940: Für die jüdische Studentin Judith wird es unter der deutschen Besatzung immer gefährlicher. Zusammen mit ihrer großen Liebe Christian, Sohn eines Bankiers, plant sie heimlich die Flucht. Doch plötzlich ist sie spurlos verschwunden.

Mehr als fünfzig Jahre später in Washington: Auf Jacobina lastet ein Versprechen, das sie ihrem Vater gegeben, aber ihr Leben lang nicht eingelöst hat. Sie soll ihre unbekannte Halbschwester Judith finden. Jetzt bleibt ihr nicht mehr viel Zeit. Da trifft sie auf die junge Französin Béatrice. Die beiden Frauen freunden sich an. Gemeinsam machen sie sich auf eine Suche, die sie weiter führt, als sie je erwartet hätten …


„Du musst Judith finden”, sagte Lica. Seine Stimme klang beschwörend. „Versprich es mir!” Jacobina hielt inne.
„Ich möchte, dass du …“ Er schluckte. „… dass du das vollendest, was ich mein Leben lang vor mir hergeschoben habe.”
Jacobina streckte ihren Arm aus. Lica griff ihre Finger und drückte sie. Das innigste Zeichen von Zuneigung eines gebrochenen Mannes.
Er tat Jacobina leid. Plötzlich empfand sie so etwas wie Zärtlichkeit für ihren Vater. Ein ungewohntes Gefühl. Sie wollte ihm über den Kopf streichen, doch sie traute sich nicht.
„Bitte”, sagte er mit kratziger Stimme und rang nach Luft.
„Ich verspreche es”, hauchte Jacobina.


Paris, 20. Dezember 1943

Meine Geliebte,
seit den frühen Morgenstunden sitzen wir im Keller und warten darauf, dass etwas passiert. In der Stadt heulen ununterbrochen die Sirenen, aber noch sind keine Bomben gefallen. Vor drei Tagen bist Du verschwunden, und mit Dir ist alles Licht aus meinem Leben gewichen. Mein Herz ist stumm vor Schmerz. Ich mache mir fürchterliche Vorwürfe. Hätte ich Dich bloß nicht alleine gelassen, so kurz vor unserer Flucht. Du bedeutest mir alles. ALLES!
In meiner Verzweiflung schreibe ich an die Adresse Deines Vaters, die ich in Deinem Tagebuch gefunden habe. Ich bete für Dich, Geliebte, und für eine neue Welt, in der unsere Liebe einen Platz hat.
In Liebe
C.

Béatrice las den Brief erneut. Dann ließ sie das Blatt sinken und starrte ins Leere.
„Jacobina“, flüsterte sie, „ich glaube, ich habe etwas gefunden.“

Bereitstellung des Buches: Rezensionsexemplar.

Meine Meinung:

Drei Leben, drei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Zwei Zeitstränge und ein altes Versprechen, das ein halbes Jahrhundert überdauert hat.
Das Buch beginnt mit einer niederdrückenden Stimmung und erzählt vom Verhältnis zwischen der jungen Jacobina und ihrem Vater, dem sie auf dem Sterbebett verspricht, ihre bis dato unbekannte Halbschwester Judith zu finden.
Ein Versprechen, das sie über all die Jahre hinweg nicht lösen konnte und mit der Zeit immer verbitterter und griesgrämmiger wird. Als wäre die Last dieses Versprechens zu viel für sie und würde ihr die Kraft und die Lebensfreude nehmen.
Was genau in all der Zeit zwischen dem Versprechen und ihrem erneuten Auftreten in Boston im Jahre 2006 mit Jacobina geschehen ist, erfährt man nicht. Nur, dass sie sehr kaputt zu sein und zu leiden scheint.


Béatrice ist eine Frau in den Vierzigern, hat einen guten Job und verdient gut, wodurch sie sich all den Luxus leisten kann, von dem sie immer geträumt hat. Vom Verhalten her kam sie mir am Anfang wie eine verwöhnte Göre vor, die selbstsüchtig und nur auf den Ruf bedacht ist. Zudem sehr unselbstständig, weil sie sich von ihrem Chef und ihrem Freund wie ein Dreck behandeln lässt, aber an diesem Zustand nichts ändert.
Als wäre sie gefangen in ihren altern Mustern und kaum fähig daraus auszubrechen.
Auf der Straße begegnet Béatrice einer Frau, die ehrenamtlich für Senioren in Boston sorgt und irgendetwas treibt sie dazu, es einmal auszuprobieren. Also wird sie zu Jacobina in die Wohnung geschickt und das Schicksal nimmt seinen Lauf, denn Béatrice möchte der älteren Frau helfen ihr Versprechen zu halten und sie macht sich auf die Suche nach Judith.


In diesen auktorialen Erzähler mischen sich immer wieder Sequenzen von Judith aus den Jahren 1940 bis 1943 in Paris, die aus der Ich-Perspektive über ihr Leben zur damaligen Zeit erzählt. Frankreich wird von den Nazis besetzt und so ändert sich nach und nach das Leben für die dortig lebenden Juden. Judith kommt man in diesen Passagen sehr nahe und kann ihre Entwicklung von noch hoffnungsvoll zu immer hoffnungsloser mitverfolgen, je mehr Dekrete erlassen und je weniger Rechte die Juden haben. Und zwischen all diese Unruhen keimt eine zarte Liebe zwischen Judith und Christian auf.
Als die Deportationen beginnen, beschließt Christian Judith zu verstecke und damit wird Judiths Leben auf ein kleines Dachzimmerchen reduziert und ihre Gedanken verschwimmen.

Sehr schön dargestellt ist hierbei die psychische Veränderung von Judith, die über einen längeren Zeitraum von Christian versteckt wird und dabei an ihre Grenzen stößt.Die Angst macht sie reizbar, manchmal unvorsichtig, zu anderen Momenten übervorsichtig.
Die Angst vor Entdeckung lähmt sie, ihr Leben ist im Stillstand und lässt Hirngespinste aufkommen, die sie im Normalfall wahrscheinlich nicht gehabt hätte.
Ein 19 jähriges Mädchen am Ende von all dem Druck und dem Hass…
Gerade im letzten Drittel des Buches hatte es mich so emotional gepackt, dass ich teilweise auch weinend vor dem Buch saß. Als der letzte Abschnitt gelesen war, konnte ich es gar nicht aus der Hand legen und musste erst einmal alles verdauen.

Die Autorin versteht es, Szenen gefühlvoll zu schreiben und mich abzuholen.
Nach und nach wurden mir sogar Jacobina und Béatrice sympathischer, wenn auch nicht gänzlich. Dennoch bilden die drei Frauen einen schönen Kontrast untereinander und die Verwicklungen nehmen seinen Lauf. Auch, als Béatrice einen Mann trifft, scheint es zu schön, um wahr zu sein und das Karussell dreht sich auch im Jahr 2006 stetig weiter mit dem Gefühlswirrwarr.
Gerade aber Judiths und Christians Liebesgeschichte, diese tragische Note, hat mich sehr berührt und fasziniert und mir persönlich deutlicher gezeigt, dass Judith stärker war, als sie von außen wirkte.

Fazit:

4,5 Wirbelwinde für dieses wunderbare Buch, das mich tief gefangen hat.

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