
Autor: Anna Fricke
Titel: Ein kurzer Moment
Seitenanzahl: 464 Seiten
Verlag: Selfpublisher
ISBN: 978-1982978587
Preis:
E-Book: 2,99€
Print: 12,73 €
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Klappentext:
Wut, Trauer, Angst, Hass. Schnitt um Schnitt eine Erinnerung. Jede Narbe war eine Mahnung an die Fünfzehnjährige, eine Erinnerung an das, was sie getan hatte.
Heute ist Victoria Lehrerin an einer gymnasialen Oberstufe und glücklich. Ihre Vergangenheit konnte sie als einen Teil ihrer Jugend hinter sich lassen. Glaubt sie, doch was damals geschah, wirft noch lange Schatten in ihr Leben. Eines Tages entdeckt ein aufgebrachter Vater ihr vernarbtes Geheimnis. Allen Beteuerungen und Gutachten zum Trotz, gibt es nur noch ein Ziel für diesen Mann: Er muss die Kinder vor dieser offensichtlich psychisch labilen Person beschützen.
Bereitstellung des Buches: Gekauft.
Meine Meinung:
Victoria ist gerade einmal 15 Jahre alt, als ihre Welt in sich zusammen fällt und sie nur noch einen Ausweg sieht, um den Schmerz und die Schuld ihrer Tat zu vergessen: Diese mit neuem Schmerz zu tilgen. Schmerz, der sich gegen sie richtet.
Kontrolliert. Verzehrend. Erlösend. Schnitt um Schnitt.
Genau dieses Verhalten hat ihr nicht nur unzählige Therapiestunden beschert, sondern auch ihren Körper gekennzeichnet. Ihre Unterarme sind voll von ihrer Tat, aber es war nie dazu gedacht, sich selbst zu verstümmeln, um Aufmerksamkeit zu erhalten oder etwas derartiges.
Victoria wollte vergessen und der Schmerz half, er heilte – für einen Moment.
Jetzt, Jahre später, hat sie sich zurück ins Leben gekämpft und arbeitet als Lehrerin in einem Gymnasium: Biologie und Sport sind ihre Fächer und sie bringt es richtig gut rüber, wie ich das lesen konnte.
Auf jeden Fall ist sie Feuer und Flamme für ihren Beruf und geht darin richtig auf. Sie engagiert sich für ihre Schüler und versucht alles, um ihnen zu helfen.
Ihr Geheimnis ist genau das: Ein Geheimnis aus der Vergangenheit, das sie in Ehren hält, denn es erinnert sie daran, was sie angerichtet hat. Ein Mahnmal und gleichzeitig ihre persönliche Erlösung.
Doch als ein Vater dem Geheimnis auf die Spur kommt, beginnt die Hölle auf Erden. Davon überzeugt, dass eine Lehrerin, die sich einst geritzt hat, nicht dazu in der Lage ist, auf Kinder aufzupassen und sie auf das Leben vorzubereiten, beginnt er, unter sie zu graben und sie zu verunglimpfen.
Victoria muss sich ihrer Vergangenheit aufs Neue stelle und dabei wieder einmal bemerken, mit wie vielen Vorurteilen die Menschen behaftet sind. Sie muss alle Kräfte mobilisieren, wenn sie nicht daran zugrunde gehen will.
Gerade am Anfang ist der Roman, ich sage mal plätschernd. Er zeigt Victoria, die in ihrem Alltag aufgeht, dabei werden die Narben ihrer Teenager-Zeit perfekt integriert, denn sie gehören zu Victoria wie ihr Tattoo. Es zeigt Normalität und ab circa der Hälfte des Buches geht es Schlag auf Schlag.
Genau diese Normalität hat für mich dann aber auch die Kongruenz des ganzen Buches ausgemacht, denn nur weil man sich ritzt oder geritzt hat, heißt das nicht, dass man nicht normal leben kann. Und Victoria hat ihre Gefühle im Griff.
Es war unglaublich emotional teilweise, wobei sich bei mir Ekel, Wut und Abscheu die Hand gaben, und das nicht einmal auf Victoria bezogen, die alles daran setzte, um ihren Schülern und einem Mädchen zu helfen.
Hier werden Themen angesprochen, die oft als Tabu gelten in unserer Gesellschaft, allen voran die Gewalt gegen sich selbst, aber das ist nur ein Beispiel.
Der Roman konnte mich überzeugen, unter anderem auch wegen der authentischen Gedankengänge von Victoria und ihrer Art, mit sich selbst im Reinen zu sein. Oder damit, wie der Vater überreagierte. Oder allem anderen. Ich will nicht zu viel vorweg nehmen.
Ich liebe den Schreibstil der Autorin, weil er plastisch darstellen konnte, was nicht nur um den Charakter herum geschah, sondern auch sein Innenleben, sodass ich Victoria trotz allem nahe sein konnte, auch wenn ich ihren Drang sich selbst zu verletzten, nicht nachempfinden kann, so versteh ich den Sinn dahinter durchaus.
Genauso sind mir auch die Nebencharaktere ans Herz gewachsen, angefangen von Victorias Familie.
Außerdem zeigt er eines: Egal, was geschehen ist, egal wie gut du glaubst, es im Griff zu haben, wie gut du es zu verbergen versuchst, die Vergangenheit holt dich immer ein und nimmt nicht nur dich in einer Abwärtsspirale mit sich, sondern auch dein Umfeld.
Für den Roman sollte man sich aber Zeit nehmen, er ist meiner Meinung nach nichts für zwischendurch, sondern braucht die Aufmerksamkeit, die er auch verdient. Wirklich gut geschrieben und ich kann ihn nur empfehlen, wenn man nicht ganz so zart besaitet ist. Jugendliche aber erst ab, ich würde mal sagen 16 Jahren lesen.
Fazit:

5 Wirbelwinde für eine tiefgehende Geschichte, die mich sehr bewegt hat und die komplette Gefühlspalette bediente.
